Berichte zur Reihe "Denkbares & Machbares"

zum Vortrag von Margitta Mächtig (MdL) am 9. Mai 2011


Drei Hochzeiten und ein Standesbeamter

Bericht in der Lausitzer Rundschau vom 12.5.2011

von Heidrun Seidel

Eine neue Gebietsreform steht vor der Tür. Daran lässt Margitta Mächtig von den im Land Brandenburg mitregierenden Linken keine Zweifel. Wie aber kann eine weitere Reform der Verwaltungsstrukturen aussehen? Neue, noch größere Kreise? Weitere Verschmelzungen von Städten und Ämtern? Wieder Gemeinde-Vernunfts-Ehen, die mit einem Kopfgeld versüßt werden? Auf der Suche nach Antworten hat die Senftenberger Rosa-Luxemburg-Stiftung die Landtagsabgeordnete, die auch Vorsitzende des Kommunalpolitischen Forums der Linken ist, zu sich eingeladen.

Kommunen schrumpfen

Die Ausgangslage ist ernst: Schon jetzt haben 13 Ämter und 27 amtsfreie Städte im Land weniger als 5000 Einwohner, erklärt Margitta Mächtig die Landesstatistik. Doch erst mit dieser Größe gilt eine Kommune als effizient arbeitsfähig. Und die Zahl der Kleinen wächst: Bis 2030, so die Prognose, werden 28 Ämter und 34 amtsfreie Gemeinden weniger als 3000 Einwohner haben. Landkreise gehen unter die 100 000-Einwohner-Grenze. Hier gelte: Unter 140 000 Einwohnern verlieren sie ihre Wirtschaftlichkeit.

Der einfach anmutenden Rechenaufgabe „Zusammenlegen“ will die Linke aber nicht folgen. Zu große Einheiten wären der Demokratie und dem bürgerschaftlichen Engagement abträglich. Schon jetzt sind Abgeordnete oft mit Entscheidungsprozessen zu Angelegenheiten in entfernten Orten überfordert. Demokratie müsse deshalb vor Ort erlebbar bleiben.

Eine effizient arbeitende starke Verwaltung und die Teilhabe der Bürger an Entscheidungen ist für Mächtig nicht die Quadratur des Kreises. Sie stellt Visionen zur Diskussion. Sind vielleicht Verwaltungskooperationen besser als Verwaltungsverschmelzungen?, fragt sie. Statt beispielsweise in einer kleinen Kommune für drei Hochzeiten im Jahr einen Standesbeamten vorzuhalten, könnten sich mehrere Kommunen zusammentun. Ähnliches gelte bei Kraftfahrzeugzulassungs- oder Meldestellen. Da könnte kooperiert und dennoch die Dienstleistung für die Bürger vor Ort angeboten werden, vereinbart in Verträgen über Stadt- und Umlandbeziehungen.

In diesem Zuge sei es erforderlich, den Kommunen mehr Befugnisse zu übertragen. So sollten sie auch selbst entscheiden können, wie sie Fördermittel einsetzen, statt nach Fördermittelprogrammen passende Projekte zu erfinden. Das würde bei den Bürgern auch zu mehr Akzeptanz des politischen Handelns führen.

Für die Linke steht deshalb eine Funktionalreform als Weg zu einer neuen Verwaltungsreform ganz vorn. Dafür müssten sich aber Kommunalpolitiker gemeinsam mit den Bürgern zuerst und ohne Schere im Kopf fragen, was sie inhaltlich für ihre Gemeinde wollen. Welche Art der Daseinsvorsorge soll erbracht werden, welche nicht. Erst danach sei die Machbarkeit zu beurteilen. „Leider aber sind angesichts der Finanznot vielen Kommunalpolitikern die Visionen abhandengekommen“, so Mächtig.

Ämter nicht abschaffen

Ihre Vision sei, dass in jeder Gemeinde über 500 Einwohner eine Volksvertretung die Geschicke bestimmt – und eine leistungsfähige Verwaltung in größerer Einheit der Dienstleister ist. Statt die Ämterstruktur abzuschaffen, müsse also, so die These, die Arbeit der Ämter qualifiziert werden, sodass sie die Verwaltung für mehr Kommunen als bisher übernehmen können. Dann bliebe auch die demokratische Mitbestimmung in den Orten erhalten.

Zum Thema:

„Bürgernah, effektiv und zukunftsfest“ soll die Kommunal- und Landesverwaltung Brandenburgs im Jahr 2020 sein. Um dieses Ziel trotz Bevölkerungsrückganges vor allem in den Randgebieten des Landes und trotz immer geringerer Einnahmen zu erreichen, hat der Landtag eine Enquete-Kommission damit beauftragt, die bisherigen Verwaltungsstrukturen und die Aufgabenverteilung zwischen Ländern und Kommunen zu analysieren, Vergleiche mit anderen Ländern anzustellen und bis 2013 Vorschläge und Handlungsempfehlungen für Veränderungen zu unterbreiten. In der Kommission arbeiten Vertreter aller im Landtag vertretenden Parteien mit. Aus dem OSL-Kreis ist Werner-Siegwart Schippel (SPD) in der Kommission.

Zum Artikel in der Online-Ausgabe der Lausitzer Rundschau ...