Prozesskosten- und Beratungshilfe

Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe stellen soziale Leistungen dar, die es einkommensschwachen Personen ermöglichen, ihr Recht vor Gericht durchsetzen zu können. 

Mit einem im Herbst 2012 vorgelegten Gesetzentwurf plant die Bundesregierung eine erhebliche Einschränkung dieser Leistungen, ausdrücklich mit dem Ziel, der Überlastung insbesondere an den Sozialgerichten entgegenzuwirken und die Kosten im Justizbereich zu senken.



                  

Pressemitteilung von MdB Wolfgang Nešković

Hinterhältiger Angriff auf den Sozialstaat

„Mit der geplanten Reform der Prozesskosten- und Beratungshilfe wird den Schwachen der Gesellschaft der Zugang zu den Gerichten durch bürokratische Hürden in nicht hinnehmbarer Weise erschwert. Es ist zynisch und unchristlich, ausgerechnet denen, die schon wenig haben, faktisch die Möglichkeit zu nehmen, um das Wenige vor Gericht zu kämpfen,“ erklärt Wolfgang Nešković, unabhängiger Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Cottbus-Spree/Neiße und Richter am Bundesgerichtshof a. D. zu der heute im Bundestag diskutierten Reform des Prozesskosten- und Beratungshilferechts.

Nešković weiter: „Bei der Prozesskosten- und Beratungshilfe geht es um ein zentrales Gerechtigkeitsprinzip unserer Verfassung: Der Zugang zu den Gerichten darf nicht vom Geldbeutel abhängig sein. Die Prozesskosten- und Beratungshilfe für Bedürftige dient der Vermeidung von Klassenjustiz. Sie soll sicherstellen, dass derjenige, der Recht hat, Recht bekommt, auch wenn er arm ist.

Die nunmehr von der Bundesregierung geplante Reform ist ein hinterhältiger Angriff auf den Sozialstaat.

Der Gesetzentwurf ist ein bürokratisches Monstrum. Die Hürden für die Beantragung von Prozesskosten- und Beratungshilfe werden gezielt so hoch gesetzt, dass die Inanspruchnahme dramatisch erschwert wird. Der Versuch, die Prozesskostenhilfe weiter zu begrenzen und zu erschweren, bedeutet nichts anderes als den weiteren Ausschluss von Armen aus der Gewährung der Rechtsstaatlichkeit. Ein Staat, der den Zugang zur Justiz nur noch für Normal - und Besserverdienende gewährleistet, gibt sich jedoch als Rechts- und Sozialstaat auf.

Dringend erforderlich ist es vielmehr, den Sparkurs in der Justiz grundsätzlich umzukehren. Prozesskosten- und Beratungshilfe müssen in ein effizientes und summarisches Verfahren eingebettet werden.“


                  

Debatte im Bundestag

zur 1. Lesung des Gesetzentwurfes

Protokollauszug 

TOP 5b): Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts - Drucksache 17/11472


                  

Ausführliche Stellungnahme des Caritasverbandes

zum Gesetzentwurf

                  

ePetition im Deutschen Bundestag

Arbeitslosengeld II - Prozesskosten- und Beratungshilfe für Arbeitslosengeld II-Empfänger

Text der Petition

Der Deutsche Bundestag möge beschließen: Die Beratungs- und Prozesskostenhilfe für HARTZ IV-Betroffene soll NICHT eingeschränkt werden. Ein Gesetzentwurf des Justizministeriums will den Zugang zur Beratungs- und Prozesskostenhilfe für Menschen, die von Hartz IV abhängig oder generell über ein geringes Einkommen verfügen, deutlich einschränken. Der Entwurf, der mittlerweile von der schwarz-gelben Bundesregierung überarbeitet wurde, liegt bereits dem Bundesrat und dem Bundestag vor.

Begründung

Betroffen sind Erwerbslose ebenso wie Zeitarbeitsnehmer oder Aufstocker.

Ziel der Gesetzesreform ist, die Klagemöglichkeiten deutlich einzuschränken, um die Klageflut an den Sozialgerichten einzuschränken. Hierfür wurden drei wesentliche Eckpunkte eingefügt. So sollen einkommensschwache Bürger keinen direkten Zugang mehr zu Rechtsanwälten erhalten. Stattdessen muss ein Rechtspfleger einen entsprechend begründeten Antrag bewilligen. Die Einkommensschwelle soll für den Zugang zu Rechtshilfen um rund 100 Euro in Richtung Hartz-IV-Niveau abgesenkt werden. Die Rückzahlung der Kosten soll laut Entwurf auf sechs Jahre verlängert werden.

Erwerbslosen-, Juristen und Sozialverbände kritisieren den Entwurf scharf. Vor allem Frauen, Hartz-IV-Empfänger und prekär Beschäftigte wären durch die Reform stark benachteiligt. "Gerade für Hartz-IV-Empfänger gelten fast alle Jobs als zumutbar. Das neue Gesetz würde es ihnen deutlich erschweren, gegen die zunehmenden Sanktionen der Jobcenter juristisch vorzugehen und sich einen Anwalt zu nehmen", erklärte ein Sprecher der Gewerkschaft Verdi. Statt die Gesetzgebungen zu reformieren, soll nunmehr der Klageweg deutlich erschwert werden, um die steigende Klagewelle zu minimieren.

"Die Absenkung des Schwellenwertes für den Zugang zur Beratungs- und Prozesskostenhilfe um nahezu 100 Euro und die Verkomplizierung von Verfahren betrifft vor allem die Erwerbstätigen mit Niedriglöhnen und auch solche, die ihren Lohn durch Arbeitslosengeld II aufstocken müssen“, berichtet der Bereichsleiter für Arbeitsmarkt- und Erwerbslosenpolitik im verdi-Bundesvorstand Bernhard Jirku gegenüber „Telepolis“. Der Niedriglohnsektor wird in Deutschland immer größer. Daher sind zunehmend Mini-Jobber, Schein-Selbstständige, Zeitarbeitsnehmer und Zeitvertragsarbeitsnehmer von den Neuregelungen betroffen. „Es trifft auch Familien, die auf den Kindergeldzuschlag angewiesen sind, und zahlreiche Kinder, deren Eltern mittlere Einkommen haben“.

Der Bundestag ist aufgefordert, die momentan gültige Version der Beratungs- und Prozesskostenhilfe für HARTZ IV-Betroffene und Einkommensschwache NICHT anzutasten.

Zur Mitzeichnungsmöglichkeit ...

                  

Gesetzentwurf der Bundesregierung

Bunestags-Drucksache 17/11472

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts

(Auszug im folgenden; ggesamter Gesetzentwurf durch Klick auf nebenstehendes Bild einsehbar)


A. Problem und Ziel

Der Entwurf soll die Prozess- und Verfahrenskostenhilfe (PKH) sowie die Be ratungshilfe effizienter gestalten. Er greift einerseits die Forderungen der Länder aus den Bundesratsinitiativen der 16. und 17. Legislaturperiode auf (Prozesskostenhilfe: Bundestagsdrucksachen 16/1994, 17/1216; Beratungshilfe: Bundestagsdrucksache 17/2164), die in den Jahren zuvor gestiegenen Ausgaben der Länderhaushalte für Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe zu begrenzen. Andererseits soll aber sichergestellt werden, dass der Zugang zum Recht gerichtlich wie außergerichtlich weiterhin allen Bürgerinnen und Bürgern unabhängig von Einkünften und Vermögen eröffnet ist. Außerdem soll eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Einbeziehung steuerrechtlicher Angelegenheiten in die Beratungshilfe umgesetzt werden.

B. Lösung

Im Bereich der PKH sind drei Gruppen von Maßnahmen vorgesehen:

Änderungen im PKH-Verfahren sollen sicherstellen, dass die Gerichte die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (die Bedürftigkeit) umfassend aufklären, um auf diese Weise ungerechtfertigte Prozesskostenhilfebewilligungen zu vermeiden und der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe entgegenzuwirken.

Durch die Absenkung von Freibeträgen, die Verlängerung der Ratenzahlungshöchstdauer um zwei Jahre und die Neuberechnung der PKH-Raten sollen die Prozesskostenhilfeempfänger in stärkerem Maße als bisher an der Finanzierung der Prozesskosten beteiligt werden.

Die Änderung der Vorschriften zur Anwaltsbeiordnung in Scheidungssachen und im arbeitsgerichtlichen Verfahren sowie die neue Möglichkeit zur Teilaufhebung der PKH-Bewilligung sollen die Ausgaben der Länder für Prozesskostenhilfe reduzieren. Im Zuge der Änderung der Regelungen zur Prozess- und Verfahrenskostenhilfe werden außerdem die gesetzlichen Vorschriften des Markenrechts an die bereits bestehende Praxis angepasst.

Im Bereich der Beratungshilfe sind folgende Maßnahmen vorgesehen:

Die Bewilligungsvoraussetzungen sollen konkreter gefasst sowie ein Erinnerungsrecht der Staatskasse eingeführt werden, um ungerechtfertigter Inanspruchnahme von Beratungshilfe entgegenzuwirken.

Abläufe im Verfahren sollen besser strukturiert werden; insbesondere wird die vorherige Antragstellung zum Regelfall erhoben, um eine höhere Erledigungsquote von Beratungshilfefällen direkt bei den Gerichten zu ermöglichen.

Das Vergütungssystem soll flexibilisiert werden.

Die Beratungshilfe soll künftig in allen rechtlichen Angelegenheiten, somit auch in den steuerrechtlichen, erteilt werden können; insoweit ist auch vorgesehen, den Kreis der die Beratungshilfe leistenden Personen über die Rechtsanwälte hinaus zu erweitern.

                  

Brandenburgs Justizminister kritisiert Gesetzentwurf der Bundesregierung

Künftiges Prozesskostenhilfegesetz benachteiligt insbesondere Geringverdiener

Als „sozial unausgewogen“ kritisiert Brandenburgs Justizminister Dr. Volkmar Schöneburg den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts, mit dem sich der Bundesrat heute befasst hat.

Schöneburg: „Die Bundesregierung will die Maßstäbe für die Gewährung von Prozesskostenhilfe in einer nicht mehr sozialverträglichen Form verschärfen. Die Folgen sind fatal: Viele Menschen werden es sich nicht mehr leisten können, ihr Recht vor Gericht zu erstreiten. Dies schafft eine sozialpolitische Schieflage und schränkt die Rechtsweggarantie in einem verfassungsrechtlich bedenklichen Ausmaß ein. Der soziale Rechtsstaat wird jetzt unterhöhlt.“

Nach Schöneburgs Auffassung führt die von der Bundesregierung geplante Erhöhung der Zugangsvoraussetzung zur Prozesskostenhilfe durch erhebliche Herabsetzungen von Freibeträgen dazu, dass sich der Kreis der Personen, der einen Anspruch auf Prozesskosten- und Beratungshilfe hat, auf Hartz IV- und Sozialhilfeempfänger verengen wird.

Schöneburg: „Der Rechtsschutz auch für Geringverdiener ist eine soziale und verfassungspolitische Errungenschaft unseres Rechtsstaats, die von der Bundesregierung nun leichtfertig aufs Spiel gesetzt wird. Denn Geringverdiener werden künftig in vielen Fällen keinen Anspruch mehr auf Prozesskostenhilfe haben.“

Kritikwürdig erscheint auch die mit dem Gesetz beabsichtigte Übertragung der Bedürftigkeitsprüfung von Richtern auf Rechtspfleger. Denn obwohl die Prüfverfahren erheblich verkompliziert werden, stehen keine Mittel für zusätzliche Rechtspfleger zur Verfügung.

Schöneburg: „Der Kostendeckungsgrad in der Justiz muss durch Missbrauchsbekämpfung verbessert werden. Aber: Es darf nicht sein, dass sozial benachteiligte Menschen jetzt auch noch zu rechtlich benachteiligten gemacht werden.“


                  

Pressemitteilung des Deutschen Anwaltvereins

zum Referentenentwurf für eine Änderung der Prozesskostenhilfe

München/Berlin (DAV). Der Deutsche Anwaltverein (DAV) lehnt eine Reihe der geplanten Änderungen beim Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferecht entschieden ab. Das geplante Vorhaben (Referentenentwurf zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungsrechts, BMJ RB1-3006/4-R3 190/2012) führt zu einer Einschränkung des Zugangs zum Recht.

„Aus Sicht des DAV sind Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe angewandte Sozialhilfe“, hebt Prof. Dr. Wolfgang Ewer, DAV-Präsident, hervor. Sie haben den Zweck, den Zugang zum Recht auch denjenigen zu ermöglichen, die sich Anwalts-und Gerichtskosten sonst nicht leisten können. „Insoweit erscheint es eher widersprüchlich, dass Sozialhilfesätze steigen, während gleichzeitig Prozesskostenhilfebewilligungen zurückgefahren werden sollen“, so Ewer weiter. Es würde vor allem die Rechtsgebiete treffen, die auf Prozess- und Beratungshilfe angewiesen sind, so das Sozialrecht, das Familienrecht und das Ausländer- und Asylrecht. 

Einzelpunkte aus dem Gesetzentwurf zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts:

* Deutliche Einschränkung der Möglichkeit, einen nachträglichen Antrag auf Beratungshilfe zu stellen (nur noch in einigen Ausnahmefällen möglich)

DAV-Position: Diese Einschränkung beim Zugang zum Recht ist nur hinnehmbar, wenn sie für rechtsuchende Bürger ohne hohe Hürden möglich bleibt. Dies setzt voraus, ohne weite Wege (also ortsnah) und ohne längere Warte- und Bearbeitungszeiten einen Antrag auf Bewilligung von Beratungshilfe stellen und auch in vertretbarer Zeit eine Entscheidung des Rechtspflegers erhalten zu können. Das wird nicht ohne personelle Verstärkung der Justiz möglich sein.

* Einschränkung der Rechtsanwalts-Beiordnung (PKH) im einverständlichen Scheidungsverfahren für den Antragsgegner, wenn der Antragsteller/die Antragstellerin bereits einen Anwalt/eine Anwältin über Prozesskostenhilfe beigeordnet erhalten hat: Das soll nach Einschätzung der Länder und des Bundesministeriums der Justiz etwa 20.000 Rechtsanwalts-Beiordnungen pro Jahr wegfallen lassen.

DAV-Position: Dieser Vorschlag stellt eine deutliche Beschränkung der „Waffengleichheit“ für die Scheidungspartei dar, die nicht zuerst den Scheidungsantrag gestellt hat und wird mit Nachdruck abgelehnt. Es gilt künftig also das „Windhundprinzip“ um die anwaltliche Vertretung.

* Eine ähnliche Einschränkung ist für Prozesskostenhilfe-Beiordnungen in Arbeitsgerichtsverfahren vorgeschlagen.

DAV-Position: Auch hier sind der Zugang zum Recht und die Waffengleichheit der Streitparteien so deutlich tangiert, dass der DAV diese Einschränkung ablehnt. Die Positionmdes Arbeitnehmers wird deutlich verschlechtert.

* Der Gesetzentwurf sieht eine deutlich strengere Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Antragstellers bei Beratungshilfe wie auch bei Prozesskostenhilfe vor, mit einer Reihe von Auskunftspflichten des Antragstellers, einschließlich der Zustimmung zur Auskunftseinholung bei Arbeitgebern und Sozialversicherungen, Zeugenvernehmungen usw. 

DAV-Position: Die Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse ist sicher notwendig zur sparsamen Verwendung staatlicher Mittel und für tatsächlich bedürftige Personen. Allerdings ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren, insbesondere angesichts der bei Beratungshilfe doch eher überschaubaren Kosten für die Justiz im Einzelfall. Es darf nicht sein, dass das Bewilligungsverfahren für Beratungshilfe oder für die Prozesskostenhilfe-Gewährung als rein vorbereitendes Verfahren zur Finanzierung des Rechtsstreits am Ende umfangreicher ausfällt, als das eigentliche Beratungs- oder Prozessverfahren. Insbesondere sollte das vorgeschlagene Bewilligungsverfahren nicht schon das Ergebnis der angestrebten Rechtsverfolgung oder -verteidigung vorwegnehmen, sofern es nicht um eindeutig erkennbare Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung geht. Ein konkreter Vorschlag dazu: Keine weitere Prüfung der Vermögensverhältnisse, wenn Leistungen nach SGB II (Hartz IV) bezogen werden.


Mehr dazu auf der Homepage des Deutschen Anwaltvereins ...