Künstlernachlässe im Land Brandenburg

                  

Schwieriger Umgang mit Künstlernachlässen

Pressemitteilung von MdL Dr. Gerd-Rüdiger Hoffmann

In einer am 10. Juli 2014 eingereichten parlamentarischen Anfrage wollte der Landtagsabgeordnete und Kulturpolitiker Dr. Gerd-Rüdiger Hoffmann von der brandenburgischen Landesregierung wissen, wie sie das Bewahren bedeutender privater Künstlernachlässe unterstützen will. Ihm ist klar, dass die Frage, ob das Bewahren privater Künstlernachlässe eine Angelegenheit der öffentlichen Hand oder Privatangelegenheit sei, mit komplizierten konzeptionell-kunsttheoretischen, kulturpolitischen, finanziellen, juristischen und hier immer wieder besonders urheberrechtlichen Fragen verknüpft ist. Mit zwölf teilweise sehr detaillierten Einzelfragen wollte der Abgeordnete unter anderem in Erfahrung bringen, wie die Landesregierung ihrer Verantwortung für die Sicherung herausragender Nachlässe von Künstlerinnen und Künstlern gerecht werden kann und nach welche Kriterien das Land Künstlernachlässe als landespolitisch bedeutsam anerkennt. Die Antwort der Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur liegt jetzt vor.

Dazu erklärt der Abgeordnete des brandenburgischen Landtages und Kulturpolitiker Dr. Gerd-Rüdiger Hoffmann folgendes:

"In vielen Gesprächen mit Künstlerinnen und Künstlern, den Museumsleitungen des Landes sowie mit Kunstwissenschaftlerinnen und Kunstwissenschaftlern und Kulturpolitikerinnen und Kulturpolitikern im Landtag Brandenburg wurde deutlich, dass Künstlernachlässe ein sensibles Thema sind. Wer soll schließlich entscheiden, welcher Nachlass von welcher Bedeutung ist? Und was passiert dann mit Nachlässen, die als landespolitisch bedeutend eingestuft werden? Auch in den Fachdiskussionen unter den Kulturverantwortlichen der linken Landtagsfraktionen und der Bundestagsfraktion, an denen ich teilnehme, war das immer wieder Thema. Die Ständige Kulturpolitische Konferenz der Partei DIE LINKE wird sich auch zukünftig mit diesem Problem beschäftigen und versuchen, abgestimmte Initiativen auf den Weg zu bringen. Das erweist sich auch hier als schwierig. Es war mir also klar, dass es keine einfachen Antworten von der brandenburgischen Landesregierung geben kann. Trotzdem ist meine Enttäuschung groß.

Auf konkrete Fragen antwortet die Ministerin im Namen der Landesregierung fast immer ausweichend oder sehr allgemein. Richtig ist, dass die Landesregierung den Kunsthandel als kommerzielle Einrichtung nicht finanziell fördern kann. Es stimmt jedoch nicht, dass die Landeskunstmuseen bereits jetzt ‚in angemessenem Rahmen‘ Kunstschaffende und ihre Angehörigen in Nachlassfragen informieren und beraten können. Sie mühen sich redlich, die personellen Ressourcen reichen jedoch nicht aus. Das Problem ist so schwierig, dass nur gemeinsam mit Experten, den Verantwortlichen der Kulturpolitik auf Bundes- und Landesebene sowie der Landkreise und natürlich mit Betroffenen und auf diesem Feld bereits engagierten Vereinen nach einer Lösung gesucht werden kann.

Besonders ärgerlich ist, dass in den Antworten überhaupt nicht deutlich wird, dass das Kulturministerium irgendeine eigenständige Idee zum Thema Künstlernachlässe entwickelt oder wenigstens die Absicht hat, nicht bloß Aktivitäten anderer zu begrüßen oder Ergebnisse abzuwarten, sondern selber etwas zu unternehmen, damit es zukünftig zu praktikablen Lösungen im Umgang mit Künstlernachlässen kommt. Die Regierung scheint mit dem Verwalten von Kunst und Kultur ausgelastet zu sein. Wenn es um Ideen oder Probleme beim Gestalten geht, dann wird eine regelrechte Lustlosigkeit der zuständigen Ministerin deutlich.

Engagierte Kunstschaffende des Landes bereiten eine Werkstattkonferenz über Künstlernachlässe vor, die bereits im Frühjahr 2015 in Potsdam stattfinden soll. Auf den inhaltlichen Beitrag der Landesregierung bin ich gespannt."

 

Kleine Anfrage von Dr. Gerd-Rüdiger Hoffmann (DS 5/9339)

Eine institutionelle Förderung von regionalen Künstlernachlässen ist in der Bundesrepublik Deutschland noch die Ausnahme. Lediglich das Saarland strebt eine institutionelle Förderung unter Verantwortung der 1980 als Einrichtung öffentlichen Rechts gegründeten Stiftung Saarländischer Kulturbesitz an. Die Frage, ob das Bewahren privater Künstlernachlässe eine Angelegenheit der öffentlichen Hand oder Privatangelegenheit sei, ist mit komplizierten konzeptionell-kunsttheoretischen, kulturpolitischen, finanziellen, juristischen und hier immer wieder besonders urheberrechtlichen Fragen verknüpft. Auch stellt sich die Frage, ob die klassische Archivierung in Depots oder so wie im Archiv für Künstlernachlässe der Stiftung Kunstfonds in der früheren Abtei Brauweiler in Pulheim bei Köln noch zeitgemäß ist. Wenn durch private Initiative und mit Unterstützung öffentlicher Einrichtungen ein „mobiler Nachlass-Service“ zustande käme, dann wäre eine gewisse Zentralisierung von Entscheidungen auf Landesebene notwendig. Denn Einzelfallprüfungen nach entsprechenden Anträgen können eine zufällige Prioritätensetzung nicht ausschließen. Wenn lediglich bedeutende Einzelfälle unterstützt würden, hätten wir es weiterhin mit dem Problem zu tun, welche Instanz dann die Auswahl treffen darf, nach welchen Kriterien ein Künstlernachlass von der öffentlichen Hand übernommen oder in der Verantwortung von Privatinitiativen bzw. Stiftungen institutionell oder als Projekt gefördert werden kann. Die beiden Landeskunstmuseen – das Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus und das Museum Junge Kunst Frankfurt/Oder – hätten zwar die fachliche Kompetenz, um Künstlernachlässe danach zu bewerten, ob es sich um Nachlässe von landespolitischer, bundespolitischer oder internationaler Bedeutung handelt. Sie sind jedoch weder personell und finanziell noch logistisch in der Lage, die oben beschriebene Aufgabe in Gänze zu übernehmen.

Der in Gründung befindliche „[Private] Künstlernachlässe im Land Brandenburg e.V.“ könnte zwar einen Teil dieser Aufgaben übernehmen, dennoch müsste verbindlich geregelt werden, nach welchen Kriterien das Land Künstlernachlässe als landespolitisch bedeutsam anerkennt und deshalb fördert. Erfahrungen des im Jahre 2003 gegründeten Hamburger Forums für Künstlernachlässe sowie Vorschläge des schweizerischen Instituts für Kunstwissenschaften sollten dabei beachtet und die sich daran orientierende und auf praktische Umsetzung ausgerichtete brandenburgische Initiative unterstützend begleitet werden.

Ich frage deshalb die Landesregierung:

  1. Welchen Stellenwert haben Künstlernachlässe in der Kulturpolitik der Landesregierung?
  2. Welche Vorstellungen hat die Landesregierung, um das Verhältnis von fachlicher Bewertung von Künstlernachlässen auch durch private Initiativen und der tatsächlichen Förderung durch das Land verbindlich zu regeln?
  3. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung
    • zur Unterstützung beim Aufbau eines Onlineportals zur Erfassung von Künstlernachlässen,
    • zur dauerhaften Förderung eines mit einem Kernbestandsdepot verbundenen Schaudepots, um so Künstlernachlässe zu bewahren, und
    • zur Förderung der öffentlichen Vermittlung der Nachlässe zum Nutzen für Forschung, kulturelle Bildung, Ausstellungen und Kunsthandel?
  4. Wie bewertet die Landesregierung die Idee, einen mobilen Nachlassservice in Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern zu etablieren?
  5. Welchen Stellenwert misst die Landesregierung in diesem Zusammenhang dem Onlineportal www.private-kuenstlernachlaesse-brandenburg.de bei?
  6. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, einen solchen mobilen Nachlassservice auf Bundesebene in Kooperation mit den einzelnen Bundesländern zu etablieren?
  7. Welche Position vertritt die Landesregierung zu der Idee, eine Koordinierungsstelle für Künstlernachlässe im Land Brandenburg nach dem in der Studie des Schweizerischen Instituts für Kunstwissenschaften Zürich (SIK-ISEA) empfohlenen Modell einzurichten?
  8. Unterstützt die Landesregierung die Idee zur Schaffung eines Kernbestandsdepots von Künstlernachlässen im Land Brandenburg?
  9. Nach welchen Kriterien sollten nach Auffassung der Landesregierung Künstlernachlässe in ein solches Depot aufgenommen werden?
  10. Welches Finanzierungsmodell wäre nach Auffassung der Landesregierung dabei denkbar?
  11. In welchem Verhältnis sollten nach Auffassung der Landesregierung institutionelle Förderung und Projektförderung bei der Bewahrung von nach verbindlichen Kriterien ausgewählten Künstlernachlässen (Kernbestände) stehen?
  12. Welche Alternative sieht die Landesregierung, wenn es nach ihrer Auffassung auch zukünftig nicht möglich sein sollte, Maßnahmen zur Bewertung und Erfassung von privaten Künstlernachlässen im Land Brandenburg kontinuierlich finanziell zu unterstützen?

Antwort der Landesregierung

vom 12. Juli 2010 (DS 5/1629)

                  

Mündliche Anfrage von Gerd-Rüdiger Hoffmann

Angesichts fehlender Strukturen zur Sicherung von Künstlernachlässen und für diese Aufgabe nicht ausreichender finanzieller und personeller Ausstattung der Landesmuseen für bildende Kunst steht die kunstinteressierte Öffentlichkeit vor dem Problem, wie Nachlässe herausragender bildender Künstlerinnen und Künstler des Landes Brandenburg bewahrt werden können. Zwar scheint mit dem ehemaligen Kreismuseum in Luckau sogar ein Depot für mögliche Nachlässe gefunden zu sein, auch werden unterschiedliche Konzepte diskutiert, wie die Aufgabe in Kooperation von Kommunen, Landkreisen und Landesebene unter Einbeziehung privaten bürgerschaftlichen Engagements gelöst werden kann, es bleibt jedoch die Frage, was herausragende Werke sind und welches Gremium dies beurteilen sollte. Die kulturpolitische Verantwortung des Landes ist gefragt.

Ich frage deshalb die Landesregierung:

Welche Maßnahmen sieht die Landesregierung vor, um ihrer Verantwortung zur Sicherung herausragender Nachlässe von Künstlerinnen und Künstlern gerecht werden zu können?

                  

Antwort der Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur

Sehr geehrter Herr Dr. Hoffmann,

namens der Landesregierung beantworte ich die mündlcihe Anfrage wie folgt: 

Das nachvollziehbare Interesse fast jedes Künstlers geht dahin, seine Werke als Nachlasss zusammengehalten, fachkundig verwahrt, präsentiert und wissenschaftlich bearbeitet zu wissen. Dabei ist aber jeder private Künstlernachlass einzeln zu betrachten, hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse, der kunsthistorischen Bedeutung, des finanziellen Aufwandes einer wissenschaftlichen Aufarbeitung, der Veröffentlichung eines Werkverzeichnisses, der digitalen Erfassung und Pflege u.a.m. Die Einrichtung von Nachlass-Archiven ist zumeist auf Initiativen von regional orientierten Vereinen, Stiftungen und Institutseinbindungen zurückzuführen. Im Land Brandneburg gibt es bisher zwei Initiativen, die sich diesem Thema widmen.

Das MWFK ist seit 2012 mit den privaten Initaitven des Landes regelmäßig im Gespräch. Bisher ging es unter anderem darum, Zielsetzungen und Herangehensweisen zu benennen, um die Möglichkeiten einer Vernetzung der Initiativen im Land Brandenburg zu prüfen und um eine Einschätzung zur erforderlichen Nachhaltigkeit eines solchen Vorhabens vornehmen zu können. Die privaten Initiativen im Land Brandenburg verfügen bisher über keine breite Plattform, die die Arbeit der Initiativen auch finanziell mittragen könnte.

Die Kunstmuseen verfügen im Allgemeinen weder über die Mittel noch über die Archivflächen, um die Vielzahl privater Nachlässe zu betreuen. Daher können sie nur an der Überlassung von Einzelstücken oder allenfalls an Werkgruppen, aber selten an Gesamtnachlässen interessiert sein. Der Umgang mit privaten Künstlernachlässen wirft für Museen zudem unterschiedliche, komplizierte juristische und urheberrechtliche Fragen auf.

Die Landesregierung sieht, ebenso wie die weit überwiegende Mehrheit der anderen Bundesländer, im Rahmen der Kulturförderung unter den gegenwärtigen Bedingungen keine Möglichkeiten, Maßnahmen zur Aufarbeitung von privaten Künstlernachlässen im Land Brandenburg kontinuierlich finanziell zu unterstützen. Das MWFK hat 2013 eine Länderumfrage initiiert, um zu erfahren, ob und in welcher Form es Förderprogramme oder Maßnahmen in anderen Bundesländern gibt, um private Künstlernachlässe der Bildenden Kunst aufzuarbeiten, zu bewahren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Auswertung hat ergeben, dass von 14 Bundesländern, die geantwortet haben, 13 Bundesländer keine Förderprogramme oder Maßnahmen zur Aufarbeitung von privaten Künstlernachlässen der Bildenden Kunst haben. Bisher arbeiten alle Archiv-Modelle oder Vereine ohne dauerhafte Landesförderung. Einzig das Saarland strebt eine institutionelle Förderung unter dem Dach der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz an. Bundesweit suchen Vertreterinnen und Vertreter aus verschiedenen Bereichen nach Strategien für den Umgang mit Künstlernachlässen. Am 14.09.2013 fand das Symposium "Kulturgut in Gefahr! Zukunftsfähige Konzepte für Künstlernachlässe" in Hamburg statt, an dem auch ein Vertreter des MWFK teilgenommen hat.

Es ist Aufgabe von Kunstsachverständigen, die Bedeutung eines Nachlasses zu beurteilen. Bei Projektanträgen an das Land werden diese durch das Fachreferat geprüft.

Das MWFK hat bisher im Rahmen der Projektförderung ausgewählte Einzelfallentscheidungen getroffen, wenn in der Aufarbeitung eines konkreten Künstlernachlasses ein erhebliches Landesinteresse besteht, beispielsweise im Rahmen der Unterstützung von Ausstellungsprojekten, die die Kritierien der kulturpolitischen Strategie des Landes erfüllen. In bedeutenden Einzelfällen wird das MWFK Anfragen von Einrichtungen oder Initiativen an potentielle Sponsoren positiv begleitend unterstützen. 

Es gibt Künstler des Landes, die bereits zu Lebzeiten eine große Bedeutung und einen hohen Bekanntheitsgrad erlangt haben. Dazu gehört u.a. Kurt Mühlenhaupt. Deswegen fördert das MWFK im Rahmen seiner Projektförderung 2014 die Aufarbeitung des Kurt-Mühlenhaupt-Nachlasses und die Erarbeitung eines Teilnachlasses von Kurt Robbel mit finanziellen Mitteln.

Das Depot-Konzept in Luckau ist aus Sicht der Landesregierung eine erste Idee, für die bisher kein Finanzierungsplan und keine verlässlichen Aussagen zum Personalbedarf und zur Gewährleistung eines langfristigen Betriebs vorliegen. Zu diesem Thema ist für März 2014 ein Gespräch in Luckau anberaumt, an dem Vertreter des MWFK teilnehmen.

Mit freundlichem Gruß

Prof. Dr.-Ing. Dr. Sabine Kunst

                  

Antwort der Landesregierung

vom 12. Juli 2010 (DS 5/1629)