Zukunft der Gemeinde Welzow/Wjelcej - Ortsteil Proschim/Prožym

Kleine Anfrage vom 24. Juli 2012 (DS 5/5704)

Ehrgeizige bundespolitische und landespolitische Ziele auf den Gebieten Klimaschutz und Energiepolitik sowie neue internationale Rahmenbedingungen auch auf dem Gebiet der Minderheitenrechte (Sorben/Wenden) ließen die Einwohnerinnen und Einwohner von Proschim/Prožym sowie auch von Welzow/Wjelcej, Lindenfeld, Bahnsdorf/Bobošojce und Lieske/Lěska hoffen, dass der Neuaufschluss des Tagebaufeldes Welzow II nicht notwendig sein würde und sie deshalb von Abbaggerung bzw. Tagebaurandbelastungen verschont bleiben würden.

Zwar heißt es im Braunkohlenplan Tagebau Welzow-Süd, dass bis spätestens 2015 in einem gesonderten Braunkohlenplanverfahren die Entscheidung über den Aufschluss des Abschnittes Welzow II zu treffen sei. Bei der betroffenen Bevölkerung ist aber der Eindruck entstanden, dass im Bunde von Landespolitik und Braunkohlenunternehmen bereits alles beschlossen sei und Proschim/Prožym dem Tagebau weichen müsse. Das führt einerseits zu neuen Formen bürgerschaftlichen Engagements und zur Gründung von entsprechenden Initiativen, andererseits werden damit auch Ohnmacht und Zweifel an der Demokratie („Politikverdrossenheit“) befördert. Da die Energiestrategie 2030 relativ offen und öffentlich diskutiert werden konnte und der Minister für Wirtschaft und Europaangelegenheiten sich immer wieder den Fragen der Betroffenen stellt, kann es nicht an mangelhafter Kommunikation liegen, wenn Fragen und Ablehnung bleiben. Es scheint an der Sache selber – an der Braunkohlenpolitik im Land Brandenburg - zu liegen.

Ich frage daher die Landesregierung:

1.    Klimaziele, Lebensqualität in der Niederlausitz und Braunkohlenbergbau

  • a)    Wie bewertet die Landesregierung die Bemühungen der Gemeinde Proschim/Prožym, den Status „BIO Energiedorf“ trotz der drohenden Abbaggerung weiter auszubauen?
  • b)    Welches sind konkret die rechtlich verbindlichen Festlegungen zur Gewährleistung der Sicherheit der am Tagebaurand lebenden Menschen?
  • c)    Warum gibt es keine Sicherheitskonzeption, die den am Tagebaurand lebenden Menschen eine verständliche Hilfestellung für mögliche Problemlagen gibt?
  • d)    Wie begegnet die Landesregierung Argumenten, die sich gegen das Aushandeln von Abfindungen bzw. Entschädigungen als alleinige Angelegenheit zwischen den Betroffenen und dem Bergbaukonzern wenden, weil sie damit die Obhutspflicht des Staates gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern verletzt sehen?
  • e)    Wie bewertet die Landesregierung die Position von Vattenfall, dass mit betroffenen Kommunen, Bürgerinnen und Bürger sowie organisierten Bürgerinitiativen lediglich die Modalitäten auszuhandeln seien, ansonsten aber der Neuaufschluss des Tagebaufeldes Welzow II feststehen würde?

2.    Sorbische/wendische Belange

  • a)    Welche Argumente bringt die Landesregierung im Zusammenhang mit dem laufenden Braunkohlenplanverfahren und dem laufenden Gesetzesverfahren zur Änderung von Rechtsvorschriften über die Rechte der Sorben/Wenden im Land Brandenburg gegenüber dem Bergbauunternehmen vor, um den veränderten bzw. sich in Veränderung befindlichen Rahmenbedingungen zur besseren Förderung der Sorben/Wenden entsprechen zu können?
  • b)    Welche Initiativen wird die Landesregierung ergreifen, um internationale Verpflichtungen im Minderheitenschutz konkret auf die sorbische/wendische Gemeinde Proschim/Prožym anzuwenden?
  • c)    In welchem Verhältnis sieht die Landesregierung die durch die Landesverfassung verbriefte Förderung der Sorben/Wenden und Regelungen zur Umsiedlung infolge von Braunkohleabbau in anderen Gesetzen und Verordnungen?
  • d)    Wie bewertet die Landesregierung die Bemühungen in Proschim/Prožym zur Revitalisierung der sorbischen/wendischen Sprache und Kultur?
  • e)    Wie begegnet die Landesregierung dem Argument, dass in Braunkohlenplänen zwar pflichtgemäß auf Besonderheiten im Zusammenhang mit sorbischen/wendischen Belangen hingewiesen wird, diese allerdings lediglich als zu überwindendes Problem angesehen werden, nicht aber der aktiv anzugehende verfassungsgemäße Auftrag zum Schutz und zur Förderung der sorbischen/wendischen Kultur im Mittelpunkt steht?

3.    Effizienz der Braunkohlenwirtschaft und gefährdete Kulturlandschaft

  • a)    Sind in einem alle sozialen, ökonomischen, kulturellen und ökologischen Aspekte berücksichtigenden Verfahren der Regionalplanung die Auswirkungen des Neuaufschlusses des Tagebaufeldes Welzow II unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit in ihren Wechselwirkungen umfassend gewürdigt worden?
  • b)    Wie wurde dabei die Kompetenz der Regionalen Planungsgemeinschaft Lausitz-Spreewald genutzt, um branchen- und ressortübergreifend sowie unter Einbeziehung sozial- und kulturpolitischer Gesichtspunkte eine Strategie für die Zukunft der Region insgesamt zu entwickeln?
  • c)    Wie bewertet die Landesregierung die Ergebnisse eines maßgeblich durch Vattenfall finanzierten Projektes des Sorbischen Instituts „Sorbische/wendische Identität und Kultur in der Ortslage Proschim/Prožym mit Karlsfeld“, in dem Proschim/Prožym als kulturgeschichtlich besonders bedeutsam hervorgehoben wird?
  • d)    Wie bewertet die Landesregierung den Umstand, dass der Beginn des Braunkohlenabbaus im Tagebaufeld Welzow II das Ende einer sehr intensiven Landwirtschaft um Proschim/Prožym bedeuten würde?
  • e)    Hält die Landesregierung nach dem Ende einer möglichen Braunkohlenförderung in Welzow I und II die Pflege und Sicherung einer noch einmal erweiterten Kulturlandschaft (Tagebaufolgelandschaft) mit all ihren finanziellen und geologischen Risiken für berechenbar und beherrschbar?


Antwort der Landesregierung (DS 5/5928)

vom 29. August 2012