Dramatische oder dramatisierte Veränderungen der Wasserqualität im Senftenberger See?

Kleine Anfrage vom 11.10.2013 (DS 5/8056)

Der Senftenberger See hat sich im Verlaufe der letzten vierzig Jahre völlig berechtigt zu einem Markenzeichen erfolgreicher Bergbausanierung entwickelt. Nicht zuletzt aus dieser Erfolgsgeschichte, auf die Bergleute, Einwohnerinnen und Einwohner wie oft auch Naturschützer gleichermaßen stolz sind, erwächst eine enorme Erwartungshaltung mit Bezug auf das geplante Lausitzer Seenland, wenn es um Folgenutzung und nachhaltige Sanierung geht.

Aber, wie bei brandenburgischen Großprojekten nie ausgeschlossen, sind Konflikte zwischen dem technisch mit Sicherheit Machbaren und dem politisch Gewollten nie völlig auszuschließen. Die Bergbausanierer stehen trotz ihres weltweit einmaligen und anerkannten ingenieurtechnischen Wissens dadurch unter einem zusätzlichen Erfolgsdruck.

War früher Sanierung weitgehend mit Erdmassenbewegung und Flächenrekultivierung gleichgesetzt, so geht es heute um sehr komplexe Zusammenhänge. Vor allem geht es um die Wiederherstellung sich weitgehend selbst regulierender wasser- und stoffhaushaltlicher Kreisläufe, dessen Realisierung sich ohne Zweifel noch über weitere Jahrzehnte erstrecken wird. Dass beim Beschreiten dieses Neulands auch Fehler gemacht werden, nicht alles hundertprozentig planbar sein kann, haben ja bereits mehr oder weniger überraschend aufgetretene Abbrüche und Rutschungen sowie die so genannte Verockerung der Spree gezeigt. Dabei betrifft die „Verockerung“ eben nicht bloß die Fließgewässer, sondern durch die geologischen Besonderheiten des Lausitzer Reviers kommt es darüber hinaus zu einer Versauerung infolge der Oxidation der vorhandenen Sulfidminerale Pyrit und Markasit, die durch das Umlagern bzw. Abtragen der Tagebaudeckschichten, beschleunigt durch bestimmte Mikroorganismen, eine intensive Belüftung und Oxidation erfahren. Die negativen Auswirkungen werden in der Regel als plötzliches Ereignis wahrgenommen, weil sie erst sichtbar werden im Zusammenhang mit dem Anstieg des Grundwassers und der Wiedernutzbarmachung ehemaliger Tagebaue.

Eventuell war es auch ein Fehler, beim Bau des Überleiters 12 und des Stadthafens sowie der Zulassung von Booten mit Verbrennungsmotoren zuwenig die Funktion des Senftenberger Sees im Naturschutz, als Speicherbecken und als Fischereigewässer beachtet zu haben. Inzwischen werden auch Stimmen laut, die davon ausgehen, dass es zu voreilig war, den Senftenberger See im Rahmen der geplanten Gesamtentwicklung des Lausitzer Seenlandes gleich zu Beginn mit anderen Seen zu verbinden, bevor die Auswirkungen auf die Wasserqualität umfassend bewertet werden können.

Das Benennen dieser Fragen und Probleme kann keineswegs die Leistungen der Bergbausanierer und Landschaftsplaner schmälern. Vielmehr sind die bisherigen Ergebnisse und gigantischen Ziele nur in diesem Kontext zu würdigen.

Ich frage deshalb die Landesregierung:

  1. Wie werden die teilweise dramatischen Veränderungen der Wasserqualität und ihre Auswirkungen auf die Fischereiwirtschaft und den Badetourismus bewertet?
  2. Welche Ergebnisse brachten die Vergleichsmessungen bzw. Untersuchungen seit 2007?
  3. Nach welchen Parametern, an welchen Messpunkten und mit welchen Ergebnissen werden die Messungen im Senftenberger See im Abstand von drei Jahren durchgeführt? (Bitte die Ergebnisse der Messungen auflisten.)
  4. Welche Veränderungen und Entwicklungen lassen sich feststellen bzw. prognostizieren?
  5. Welche zusätzlichen Parameter im Vergleich zu den natürlichen Seen Brandenburgs finden beim Senftenberger See aufgrund der bergbaulichen Besonderheiten Anwendung?
  6. Welchen Stellenwert hat neben den Messungen, die Auskunft über die Wasserqualität geben können, die für Bade- und Bootstouristen wichtige optische Bewertung des Wassers sowie des Seegrunds?
  7. Welche Veränderungen der Wasserqualität konnten unabhängig von teilweise unsachgerechter Medienberichterstattung festgestellt werden?
  8. Nach welchen Parametern, an welchen Punkten des Senftenberger Sees (gegebenenfalls auch des Geierswalder Sees, des Überleiters 12 sowie des Auslaufs Niemtsch) und mit welchen Ergebnissen wurden die in der Antwort auf die Mündliche Anfrage Nr. 1399 vom 29. August 2013 angekündigten zusätzlichen Untersuchungen durchgeführt?
  9. Nach welchen Methoden werden Prognosen für die weitere Entwicklung des Senftenberger Sees zukünftig als Bestandteil des Lausitzer Seenlandes erstellt?
  10. Nach welchen konzeptionellen Grundlagen soll dabei verfahren werden?
  11. Welche zu erfassenden Daten bilden die Grundlage für diese Prognosen?
  12. Wie wird sich durch den weiteren Ausbau des Lausitzer Seenlandes das Verhältnis von autochthoner und allochthoner Versauerung im Senftenberger See verändern?
  13. Mit welchen Auswirkungen ist unter Aspekten der Hydrogeochemie und der Wasserbilanz unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses von Grundwasser und Flutungswasser zu rechnen?
  14. Inwiefern sind Untersuchungen Bestandteil des in Brandenburg und Sachsen großflächig installierten montanhydrologischen Monotorings der LMBV bzw. mit diesem Programm abgestimmt?
  15. Welche Auswirkungen auf den Senftenberger See (Speicherbecken Niemtsch) hat die erfolgte Anbindung an die „Erweiterte Restlochkette“ durch die Eröffnung des Überleiters 12?
  16. Mit welchen Auswirkungen auf die Wasserqualität ist durch Motorbootsverkehr sowie deren Eintrag und permanente Schleusungen mit entsprechenden Ausspülungen und Aufwirbelungen zu rechnen?
  17. Wer hat das mehrfach bis mindestens Ende August 2013 mehrstündige Offenhalten der Schleuse und das Einlassen von Wasser aus dem Geierswalder See mit bedenklicher hydrochemischer Qualität durch die Oxydation von Pyrit und Markasit im Zusammenhang mit der Eröffnung des Überleiters 12 angewiesen?
  18. Welche Auswirkungen hat das unsachgemäße Verklappen des Aushubs im Zusammenhang mit dem Bau des Stadthafens auf die Wasserqualität?
  19. Welche Auswirkungen hat der im Zuge der Bauarbeiten am Kanal (Überleiter 12) und des Stadthafens Senftenberg erfolgte Anschnitt des bisher als weitgehend stationär angenommenen Seegrundes (Geologie) auf die Wasserqualität?
  20. Welche Auswirkungen auf die Wasserqualität und damit u.a. auf die Fischereiwirtschaft sind zu erwarten, wenn im Senftenberger See (Speicherbecken Niemtsch) eine verminderte Einstauhöhe notwendig wird, um den Grundwasserstand in der Stadt Senftenberg zu senken?
  21. Ist gegenwärtig mit einer Selbstregulierung bezüglich der Wasserqualität zu rechnen oder sind besondere Maßnahmen zur Steuerung der Wasserbeschaffenheit nötig?
  22. Ist vorgesehen, den Senftenberger See auch weiterhin als Gewässer der Fischereiwirtschaft zu nutzen?
  23. Welche Perspektiven werden diesem Wirtschaftszweig eingeräumt?
  24. Was passiert, wenn die Fischerei wegen sich verschlechternder Wasserqualität und des zunehmenden Eventtourismus wirtschaftlich gefährdet ist? Sind Ausgleichszahlungen etwa nach dem Vorbild von Almwirtschaften in Tourismusgebieten vorgesehen?
  25. Kann das hydrochemische Muster für den Senftenberger See, in dem die Aufrechterhaltung des neutralen Zustandes durch die Schwarze Elster angenommen wird, weiterhin aufrechterhalten werden?
  26. Inwiefern ist die Feststellung des im Auftrag des Umweltbundesamtes im Mai 2000 vorgelegten Abschlussberichtes „Braunkohletagebauseen in Deutschland. Gegenwärtiger Kenntnisstand über wasserwirtschaftliche Belange von Braunkohletagebaurestlöchern“ noch gültig, wonach in den nächsten Jahrzehnten die größte Gefahr für die Gewässergüte des Senftenberger Sees „vom Grundwasseranstieg im Gebiet der nordöstlich gelegenen Restlochkette Skado, Koschen und Sedlitz“ ausgehen wird?
  27. Welche konkreten Schlussfolgerungen ergeben sich aus der in einer im Auftrag der LMBV erarbeiteten und 2012 vorgelegten Studie der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus und des Instituts für Wasser und Boden Dresden „Perspektive See – Zum Stand der Entwicklung der Wasserbeschaffenheit in den Lausitzer Bergbaufolgeseen“ getroffenen Feststellung, dass bisher die Wechselwirkungen zwischen Bergbaufolgeseen, Grundwasser und Fließgewässern hinsichtlich der Ressourcenverfügbarkeit und der Wasserbeschaffenheit zu wenig oder gar nicht beachtet wurden?
  28. Mit welchen neuen Herausforderungen für die Konzepte der LMBV zur stoffhaushaltlichen Sanierung und zur nachhaltigen Sanierung des Wasserhaushaltes muss gerechnet werden, wenn nicht wie bisher ein möglicher Klimawandel unberücksichtigt bleibt, sondern vielmehr die Annahme von einem stationären, unveränderlichen Klima aufgegeben werden muss?
  29. Welche Auswirkungen hätte eine Weiterführung der aktiven Tagebaue in der Lausitz auch über das Jahr 2045 hinaus für die Konzepte und die praktische Bewältigung der wasser- und stoffhaushaltlichen Sanierung im Revier des Lausitzer Seenlandes?

 

Antwort der Landesregierung

vom 12. Juli 2010 (DS 5/1629)