Schulfahrten als Dienstreisen für Lehrkräfte

Kleine Anfrage vom 28.11.2012 (DS 5/6436)

Im Land Brandenburg ist es Praxis, dass Lehrkräfte nur in wenigen Ausnahmefällen Unkosten erstattet bekommen, die ihnen durch Schulfahrten entstehen. Üblich ist es dagegen, dass Lehrkräfte vor Schulfahrten eine Erklärung unterschreiben, in der sie auf Erstattung der entstehenden Kosten verzichten. Schulämter haben dazu Formulare entwickelt. Dadurch entsteht ein prinzipieller Widerspruch zu den Verwaltungsvorschriften über schulische Veranstaltungen außerhalb von Schulen (VV-Schulfahrten – VVSchulf), in denen festgelegt ist, dass die Teilnahme an Schulfahrten zu den dienstlichen Aufgaben der Lehrkräfte gehört (VVSchulf, Abschnitt 2, 9[1]). Weiterhin geraten Lehrkräfte in einen Gewissenskonflikt, weil sie einerseits selbstverständlich daran interessiert sind, „unter Berücksichtigung des Rahmenlehrplanes“ (VVSchulf, Abschnitt 1, 1[2]) Schulfahrten durchzuführen, weil sie „dem besseren gegenseitigen Kennenlernen“ dienen und „die Formen des miteinander Lernens und Lebens erweitern“ (ebd.). Eine besondere Bedeutung kommt dabei Exkursionen zu, die als „fachbezogen oder fachübergreifend gezielt und sorgfältig vorbereitete Schulfahrten“ in den genannten Verwaltungsvorschriften definiert sind (Abschnitt 1, 3). Andererseits müssen Lehrkräfte die Kosten selbst tragen, obwohl Schulfahrten während der Schulzeit stattfinden und zum Unterricht gehören.

Mehrere Gerichtsurteile haben klargestellt, dass es nicht rechtens ist, wenn Lehrkräfte die Kosten für Schulfahrten selbst tragen sollen. Auch jene Verwaltungsvorschriften von Bundesländern, die die Selbstbeteiligung der Lehrkräfte an den Kosten verbindlicher als in Brandenburg regeln wollten, hatten dabei juristisch keinen Bestand (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.10.2012, Az. 9 AZR 183/11; Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14.11.2012, Az. 1 A 1579/10).

Es ist abzusehen, dass auch eine Erhöhung der Mittel für Reisekosten bei Schulfahrten von 80.000 Euro auf 150.000 Euro in den Jahren 2013 und 2014 im Land Brandenburg das Problem nicht grundlegend lösen wird. Weiterhin wird bei dieser Unterfinanzierung unterstellt, dass es einzig und allein in der Verantwortung der Schulen bzw. der einzelnen Lehrkräfte liege, ob Schulfahrten stattfinden oder nicht.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie hoch sind die aktuellen Fonds für Dienstreisen im Rahmen von Schulfahrten jeweils in den einzelnen Schulämtern und wie hoch ist die Summe, die im Durchschnitt damit einer Lehrkraft jährlich zur Verfügung steht?
  2. Welchen Plausibilitätserwägungen folgt die Landesregierung, einerseits Schulfahrten als verpflichtend in den Rahmenlehrplänen festzuschreiben und andererseits den Lehrerinnen und Lehrern die dafür entstehenden Kosten nicht er-statten zu wollen?
  3. Auf welcher rechtlichen Grundlage wird von Lehrerinnen und Lehrern der Verzicht auf Erstattung von Dienstreisekosten erwartet und eine entsprechende Verzichtserklärung vorgelegt?
  4. Wie viele Lehrkräfte sind im Land Brandenburg in den einzelnen Schulämtern (bitte einzeln aufschlüsseln) jährlich seit 2009/2010 von solchen Verzichtserklärungen betroffen gewesen?
  5. Werden angestellte Lehrkräfte bei der Unkostenerstattung bei Schulfahrten anders behandelt als verbeamtete Lehrkräfte?
  6. Welche konkreten Konsequenzen hat es für Lehrkräfte, wenn sie eine Verzichtserklärung nicht unterschreiben?
  7. Gibt es ähnliche Verzichtsvereinbarungen bzw. Verfahrensweisen mit Landesbeamten und Angestellten in anderen Ressorts?
  8. Welche Vorschriften gelten für Dienstfahrten (Reisekosten) bei Angestellten und Beamten im Hause des MBJS und in weiteren Dienststellen?
  9. Gelten für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums sowie in allen Schulämtern einheitliche Regelungen?
  10. Wie bewertet die Landesregierung das Herangehen anderer Bundesländer, keine Landesregelung für die Erstattung von Dienstreisekosten bei Schulfahrten zu erlassen, sondern die Entscheidung den einzelnen Schulen zu überlassen?
  11. Welche konkreten Schlussfolgerungen zieht die Landesregierung aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 16.10.2012 für die zukünftige Praxis und für eine möglicherweise zu ändernde Verwaltungsvorschrift?
  12. Welche konkreten Schlussfolgerungen zieht die Landesregierung aus dem Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Nordrhein-Westfalen (Münster) vom 14.11.2012 für die zukünftige Praxis und für eine möglicherweise zu ändernde Verwaltungsvorschrift?
  13. Wie bewertet die Landesregierung insbesondere die Feststellung des OVG Münster in diesem Urteil, dass in dem Drängen auf Abgabe einer Verzichtserklärung ein grober Verstoß gegen die Fürsorgepflicht des Landes gegenüber seinen Bediensteten (Lehrerinnen und Lehrer) vorliegt?
  14. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, den Landeshaushaltsplan so zu gestalten, dass der Widerspruch zwischen Fürsorgepflicht des Landes gegenüber seinen bediensteten Lehrerinnen und Lehrern bei Dienstreisen im Rahmen von Schulfahrten und einer nicht rechtskonformen Praxis aufgelöst werden kann?


Antwort der Landesregierung

vom 12. Juli 2010 (DS 5/1629)